Wetterauer Ausländerbehörde in der Kritik

Die Coronakrise und der Umgang damit in den Behörden hat den Integrationsbemühungen von Flüchtlingen einen schweren Schlag versetzt. Hier ein Artikel mit einer Zusammenfassung der Probleme aus dem Mediendienst Migration.

Im Jahr 2022 sind viele Stellen in der Ausländerbehörde des Wetteraukreises neu einegstellt worden. Das ist sehr gut, wenn es auch viel zu spät geschehen ist. So müssen momentan viele neu eingestellte Mitarbeiter*innen erst eingarbeitet werden. Die Leitungsstelle des „Frontoffice“ ist seit September 22 endlich neu besetzt. Wolfgang Dittrich hatte für die AG-Flüchtlingshilfe im Mai 2022 einen Brief an den Landrat geschickt, in dem die Kritikpunkte zusammengefasst wurden. Ende 2022 ist die Kritik, die bei der AG-Flüchtlingshilfe ankommt, wesentlich leiser geworden. Auch das Angebot von seiten des Fachdienstleiters der Ausländerbehörde, dass er sich um Streitfälle kümmern würde, hat zur Entspannung beigetragen. Dieses Angebot wurde vom neuen Leiter des Frontoffice der ABH, Herrn Müller, bekräftigt. In solchen Fällen kann Johannes Hartmann vom IZF direkt Kontakt zu ihm aufnehmen. In Fällen, wo trotz Dringlichkeit nichts weiter geht, bitte an izf@x3x.de schreiben und den Fall schildern.

Leider ist die Ausländerbehörde jetzt (im Februar 2024) wieder extrem überlastet und kaum telefonisch zu erreichen. Terminvergaben haben wieder 4 Monate Vorlaufzeit. Notfälle sind auch nur schwer zu klären, wenn man nicht durchkommt oder sich Mitarbeiter*innen wegen Überlastung kaum darum kümmern können. Erfahrungsgemäß nimmt die Fluktuation unter den Mitarbeiter*innen erheblich zu, wenn der Stress hoch ist. Personal ist kaum zu finden und muss erst langwierig in die komplizierte Materie eingearbeitet werden, was die eingearbeiteten Mitarbeiter*innen nochmal mehr fordert. Das ist schon lange Jahre eine echte Misere. Faktisch müsste die Zahl der Mitarbeitenden weiter erhöht werden.

Hier die Geschichte der letzten Jahre:

Die Probleme in den Ausländerbehörden in Deutschland allgemein, die ja die Türen für Zuwanderer und Flüchtlinge in unser Land und unsere Gesellschaft darstellen, haben sich durch Vernachlässigung durch die Verantwortlichen in Kreisen und Städten regelmäßig verschärft. Letzter Anlass dazu war die schnell steigende Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine ab Februar 2022. Im 1. Halbjahr 21 war keine befriedigende Wahrnehmung dieser Türfunktion in der Ausländerbehörde auch im Wetteraukreis festzustellen. Im Gegenteil: Die Kritikpunkte vor allem an der Erreichbarkeit und an der Terminvergabe häuften sich, weil zeitnahe Termine nicht mehr angeboten wurden und Ausweisersatzpapiere, z.B. bei Geduldeten auch bei frühzeitigen Anmeldeversuchen abliefen und Arbeitsplätze in Gefahr waren. Die Wartezeit ging im 1. und 2. Quartal z.B. über 4 Monate hinaus. Laut Info aus der Ausländerbehörde hat sie im August 21 die Wartezeit auf 4 Wochen reduziert. Duldungsverlängerungen sollen vorrangig behandelt werden. Maxime ist, dass niemand ohne gültige Ausweispapiere leben muss. Diese Maxime konnte oft nicht eingelöst werden. Die telefonische sowie Erreichbarkeit der ABH über E-Mails war nach wie vor schwierig. 

In der Woche vom 22.11. 21 wurde die Onlineterminvergabe wieder freigeschaltet. Allerdings war im Juni der erste freie Termin erst im August 2022, und da gab es auch nur noch weinge freie Termine!! Das lässt nichts Gutes ahnen. Denn solange können viele mit der Verlängerung ihrer Papiere nicht warten. Sie müssen sich irgendwie „zwischen rein quetschen“, was den normalen Ablauf weiter durcheiander bringt.

Hier finden Sie weitere Infos über die vergangenen Entwicklungen:

Hier ein Brandbrief des Wetterauer AWO-Vorsitzenden Raimund Becker an die Kreisspitze vom 18.8.2021:  Brief an die Kreisspitze

Hier eine Info zur Erreichbarkeit der Ausländerbehörde vom 1.7.21:

Ende Juli 21 gibt es die Info, dass die öffentliche Sprechstunde im Juli nicht funktioniert hat und dass man versucht die Probleme im August zu lösen. Leider ist auch damit nicht zu rechnen, wie wir jetzt von vielen Betroffenen erfahren.

Hier die Presseerklärung zur Lage, die die AG-Flüchtlingshilfe am 14.6.2021 an die Medien geschickt hat: Ausländerbehörde – Wetteraukreis hat die Warteschlange ins Internet verlegt

Ein Gespräch zwischen Frau Becker-Bösch, Herrn Weckler und Vertreter*innen der AG-Flüchtlingshilfe gab es am 29.6.21. Dort wurde wieder Abhilfe versprochen. Der Landrat wies darauf hin, dass Frau Becker-Bösch als erste Kreisbeigeordnete für die Ausländerbehörde zuständig sei. Wir wiesen darauf hin, dass die Planstellen dort in seinen Zuständigkeitbereich fallen, sind doch viele der Probleme den nicht besetzten oder nicht ausgeschriebenen Stellen geschuldet.

Die letzte Umfrage der AG-Flüchtlingshilfe im April 2021 hat eine Menge an Punkten hervorgebracht, die in der Ausländerbehörde schief laufen.

In den letzten Jahren hat es immer wieder Gespräche zwischen AG-Flüchtlingshilfe und der Kreisspitze gegeben und auch das Versprechen des Landrates Weckler, die Probleme endlich in den Griff zu bekommen. Damals waren es die Schlangen von Menschen vor dem Landratsamt, die einen Termin bei der ABH brauchten. Heute ist diese Schlange gewissermaßen ins Internet verlegt und damit für die Öffentlichkeit unsichtbar. Die Verlagerung der Kontakte zur Ausländerbehörde auf das Internet setzt bei allen Computer mit Drucker und Scanner voraus, was völlig illusorisch ist.

Die Auswirkungen sind aber die gleichen geblieben oder gar noch schlimmer geworden. Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz, weil sie ihre Aufenthaltsdokumente nicht verlängern lassen können und zunächst mit Fiktionsbescheinigungen abgespeist werden, die in vielen Bereichen nicht als Ausweisdokumente akzeptiert werden. Auch die Konten sind wieder in Gefahr oder können gar nicht erst eröffnet werden, weil viele Banken diese Bescheinigungen nicht als Ausweis akzeptieren. Hinzu kommt der Entzug von Arbeitserlaubnissen bei Geduldeten, meist mit dem Hinweis auf mangelnde Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung. Dabei wird teilweise Unmögliches von den Betroffenen erwartet. Menschen, die eine BAMF-Anerkennung mit subsidiärem Schutz haben, werden plötzlich auf Grundlage von Dublin III zur Ausreise in das EU-Land aufgefordert, in dem sie ursprünglich in die EU eingereist sind. Neben den behördlichen Missständen lassen die Abschiebebestrebungen des Bundes und des Landes Hessen ein kaltes Deutschland erscheinen, das die früheren Perspektiven für eine sichere Zukunft in Deutschland bei Integrationsbemühungen Stück für Stück zurücknimmt.

Die Ehrenamtlichen, die weiter Flüchtlinge unterstützen und bei ihren immer umfangreicher werdenden Unterstützungsbemühungen auf immer größere Widerstände und ausufernde Bürokratie stoßen, sehen diese Entwicklung mit großem Unverständnis, wachsender Hilflosigkeit und Enttäuschung.  Auch sie hatten die Versprechungen für wahr genommen, dass Menschen, die sich um ihre Integration bemühen und für sich selbst sorgen, in unserer Gesellschaft willkommen sind und eine Bleibeperspektive haben.

Hier die bisherige „unendliche“ Geschichte: 

Seit Ende 2014 gab es Chaos bei der Wetterauer Ausländerbehörde: Sie war unterbesetzt und nach Außen hin abgeschottet. Für Sozialarbeiter und Ehrenamtliche war sie kaum noch erreichbar, telefonisch schon gar nicht. Der Leiter der Ausländerbehörde nahm kaum noch an Netzwerktreffen teil, so dass die Behörde im eigenen Saft schmorte. Kleinere Probleme konnten nicht auf kurzem Weg gelöst werden und bauten sich zu immer größeren Problemen auf. So kam es beispielsweise vor, das Geflüchtete, die ihre Aufenthaltserlaubnis nicht verlängern konnten, einfach, weil sie nicht drankamen, ihren Unterhalt gekürzt bekamen. Die Schuld wurde also ihnen zugewiesen, obwohl die Zustände bei der ABH die Ursache für das Problem war. Und den ganzen Stress, das rückgängig zu machen, können sich eigentlich nur die Ehrenamtlichen vorstellen, die sich damit befassen müssen, damit die betroffenen Flüchtlinge nicht am Hungertuch nagen.

Die Bearbeitung von größeren Problemen wie z.B. die Beantragung einer Arbeitserlaubnis dauerte Monate. Über erfolgreiche Familienzusammenführung wurden Kommunen nicht informiert, so dass die Familien dort plötzlich auf der Matte standen, während der Familienangehörige nur einen Platz in einer Flüchtlingsunterkunft hatte. Dies nur einige Beispiele, wohin die „Willkommenskultur“ im Wetteraukreis gekommen war. Dabei zeichnete sich eine seit vielen Monaten versprochene Besserung der Lage nicht ab. Hier mussten Notmaßnahmen ergriffen werden, sollte das nicht in vollständigem Chaos enden. Leidtragende waren die Geflüchteten, die anderen auf die Ausländerbehörde angewiesenen Zuwanderer und die ehrenamtlichen Unterstützerinnen.

Insgesamt lief im Jahr 2021 nichts wirklich rund. Problem für viele Flüchtlinge, die keine Unterstützung durch Ehrenamtlich haben, beginnen schon mit der nur elektronisch möglichen Anmeldung für einen Termin. Es gab viele Fälle, in denen Flüchtlingen die Duldung in eine „Duldung light“ verwandelt wurde, wobei die Arbeitserlaubnis gestrichen und damit auch sonst alle Perspektiven für ein Ankommen und  die Integration in Deutschland genommen wurden. „Nudging“ heißt das auf Englisch und könnte auch durch „Mobbing“ ersetzt werden: Die Menschen werden so behandelt, dass sie irgendwann selbst aufgeben und freiwillig in ihr Herkunftsland zurück gehen. Die ABH weist die Verantwortung dafür von sich und verweist auf Weisungen des RP Darmstadt, der vorgesetzten Behörde.

Die AG-Flüchtlingshilfe hat schon zwei Gespräche mit Herrn Weckler gehabt, bei denen dieser den Schilderungen der schlimmen Verhältnisse nicht widersprach, die Verantwortung dafür allerdings von sich wies, ähnlich wie Landrat Arnold (Siehe Link weiter unten)

Dazu eine Stellungnahme von Landrat Arnold , die natürlich nicht befriedigen kann, denn viel zu lange schon halten diese Zustände an! Wir sehen die Sache so: Im Namen der „schwarzen Null“ und mit dem Ziel, den „Rettungsschirm“ des Landes wieder verlassen zu dürfen sind verschiedene Ämter des Wetteraukreises, darunter die Ausländerbehörde, kaputtgespart worden. Als man Gegenmaßnahmen ergriff, war es zu spät: Es gab kaum noch qualifizierte Fachkräfte auf dem Markt und die Arbeitsbedingungen waren so schlecht, dass alte Kräfte Kündigten oder sich woanders hin bewarben und neue kaum bleiben mögen.

Weiteres zur Rückentwicklung der Willkommenskultur beim Wetteraukreis finden Sie hier.