Willkommensbehörde im Aufbau?

Das IZF ist durchaus der Ansicht, dass die Bewerbung des Landrates für das Modellprojekt „Willkommensbehörde“ eine gute Maßnahme war, sich Hilfe von außen zu holen beim Umbau einer Behörde, die seit Jahrzehnten „Ausländerpolitik“ als „Gefahrenabwehr“ betrieben hat. Wir sind allerdings der Ansicht, dass diese Maßnahme allein nicht ausreichende ist, gerade was den wichtigen Aspekt des Umgangs mit Flüchtlingen betrifft, weil sich die Behörde in ihrem restriktiven und teilweise inhumanen Umgang mit Flüchtlingen immer wieder auf Recht und Gesetz beruft und damit ihren erheblichen Gestaltungsspielraum im Interesse gut integrierter Flüchtlinge leugnet. Daher hat der Arbeitskreis Flüchtlinge, in dem das IZF mitarbeitet, dem Landrat seine Mitarbeit bei der Umgestaltung der Behörde angeboten. Inzwischen ist aus dem Arbeitskreis die Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingshilfe geworden, die eine Zusammenarbeit mit dem Wetteraukreis bei der Integration von Flüchtlingen ausprobiert. Grundlage dafür ist die Erklärung der 1. Wetterauer Flüchtlingskonferenz vom Mai 2015, die viele positive Aspekte und Forderungen enthält, die allerdings noch meilenweit von ihrer Umsetzung entfernt sind.

Im November 2013 wurde die Ausländerbehörde des Wetteraukreises in das Modelprojekt „Willkommensbehörde“ aufgenommen, das in 10 Städten und Kreisen des Bundesgebietes in Angriff genommen wurde. Damit ist der Wetteraukreis in Hessen einzig teilnehmender Kreis.

Vorher hatte Landrat Arnold bereits verschiedene Maßnahmen angekündigt, die die bisher immer wieder als unsensibel, hart und inhuman kritisierte Behörde zu einer Willkommenskultur hin verändern sollten. So haben nach seinen Angaben wohl alle MitarbeiterInnen bereits eine Fortbildung für interkulturelle Kompetenz besucht. Trotzdem ist der Umgang mit Flüchtlingen nach wie vor als „durchwachsen“ zu bezeichnen, da von SachbearbeiterIn zu SachbearbeiterIn sehr unterschiedlich.

Wissenschaftlich begleitet wurde diese Umwandlung vom IMAP Institut in Düsseldorf, das 5 der 10 Projekte budesweit begleitet. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass sich Zuwanderer, die neu in eine Kommune kommen, möglichst schnell zurechtfinden können. Die ersten 3 Monate sind dabei entscheidend für eine gute Integration, die Ausländerbehörde ist gewissermaßen die Visitenkarte der neu gefundenen Heimat für Zuwanderer.

Die Laufzeit des Projektes betrug 2 Jahre, in einem 3. Jahr sollten die Ergebnisse evaluiert werden. Positive Ergebnisse des Modellprojektes sollten flächendeckend auf die anderen Ausländerbehörden übertragen werden.

Im Verlauf des Projektes wurden 3 spezielle Bereiche der Behörde in Angriff genommen:

  1. Organisationsentwicklung (u.a. Diagnosephase, Vernetzung mit den übrigen Ämtern des Wetteraukreises)
  2. Personalentwicklung (Fortbildung und Personalbedarf)
  3. Akteursebene (dabei werden Akteure auch außerhalb der Behörde eingebunden, vernetzt und für einen Erfahrungsaustausch gewonnen)

Inzwischen ist das Projekt abgeschlossen. Eine Evaluation fund wegen der extremen Arbeitsbelastung der Behörde durch die vielen ankommenden Flüchtlinge nicht statt. Gleichzeitig entzieht die immer noch anhaltende Belastung  (Mai 2016) die Behörde einer begleitenden Kritik, was Service, Erreichbarkeit und nachhaltige Arbeit betrifft. Diese Situation ist unserer Ansicht nach eingetreten, weil die Ausländerbehörde jahrelang wegen der Sparpolitik des Wetteraukreises am unteren Level der Personalausstattung arbeitete und bei der Erhöhung des Bedarfes durch die vielen Geflüchteten weit über ihre Kapazitätsgrenze hin belastet wurde. Folge war: Viele ältere Beschäftigte kündigten oder bewarben sich auf andere Stellen  und die Einarbeitung von neu Eingestellten bedeutete für die Verbliebenen eine zusätzliche Belastung. Aus diesem Teufelskreis kommt die ABH aus eigener Kraft nicht heraus. Hier ist die Kreisspitze mit neuen Initiativen und Ideen gefordert.

Allmorgendlich drängen sich eine große Anzahl von Menschen vor dem Einlass um 7.30 Uhr, um einen Termin für die Verlängerung von Papieren, Familienzusammenführung, Arbeitserlaubnis, neue Ausweise nach der Anerkennung usw. zu erhalten. Viele müssen wieder gehen, ohne ihre Probleme gelöst zu haben und es an einem weiteren Tag erneut versuchen. Gerade für Menschen aus den entfernteren Gebieten des Wetteraukreises ist das eine finanzielle und zeitliche Zumutung. Auf diese Weise droht die angefangene Umgestaltung zu versumpfen.

Eine weitere Neuerung im Wetteraukreis ergibt sich aus der Landespolitik: Im Rahmen des Projektes WIR (Wegweisende Integrationsansätze realisieren) wird vom Land für den Kreis eine Koordinationskraft gewissermaßen als weitere Koordinatorin mit Integrationsauftrag finanziert. Die Stelle ist bereits besetzt, kümmert sich allerdings um die interkulturelle Öffnung der Behörde. Zwei weitere Stellen für die Bildungskoordination und die Stelle einer WIR-Fallmanagerin wurde geschaffen, wobei der Eindruck entsteht, dass den neuen Mitarbeiterinnen, die sehr motiviert sind, keine genauen Vorgaben an die Hand gegeben wurden, wie sie mit ihrer Arbeit die Integration von Flüchtlingen optimal unterstützen können.

Hier ein Presseartikel von Jens Kirschner, erschienen im Mittelhessen-Bote, am
Mittwoch, 18 Dezember 2013, den wir in der Rubrik Wetteraukreis hinterlegt haben. Es geht um die Pressekonferenz des Arbeitskreises Flüchtlinge zur Umgestaltung der Ausländerbehörde zu einer “Willkommensbehörde”.
Wetteraukreis/Ausländerbehörde Herbst 2013. Weitere Infos zu Flüchtlingen und zur derzeitigen Entwicklung in der Außenwirkung der Ausländerbehörde finden Sie im Menü unter Flucht/Migration.